Wermut wird oft mit Absinth in Verbindung gebracht - ein Getränk, das in der Vergangenheit für seine angeblich hallucinogenen Effekte berüchtigt war. Doch heute fragen sich viele: Kann man Wermut auch rauchen? Und wenn ja, wie viel ist noch sicher?
Wermut ist kein gewöhnliches Kraut
Wermut (Artemisia absinthium) enthält eine natürliche Verbindung namens Thujon. Das ist kein gewöhnlicher Pflanzenstoff. Thujon wirkt auf das zentrale Nervensystem und kann in höheren Dosen Krämpfe, Halluzinationen oder sogar epileptische Anfälle auslösen. Die Europäische Lebensmittelbehörde (EFSA) hat festgestellt, dass eine Einzeldosis von mehr als 10 mg Thujon gesundheitlich riskant ist. Ein Gramm getrockneter Wermut enthält zwischen 1 und 10 mg Thujon - je nach Anbauregion, Erntezeit und Trocknungsmethode.
Wenn du Wermut rauchst, wird Thujon direkt in deine Lunge aufgenommen und schnell ins Blut transportiert. Das ist viel effizienter als das Trinken von Absinth, wo die Leber einen Teil des Thujons abbaut. Beim Rauchen gibst du dieser Wirkung keine Chance, sich abzuschwächen.
Was passiert, wenn du Wermut rauchst?
Einige Menschen berichten von leichten Kopfschmerzen, Schwindel oder einer unangenehmen Bitterkeit, wenn sie Wermut rauchen. Das ist kein Zufall. Schon 2-3 Gramm getrockneter Wermutblätter enthalten mehr als 20 mg Thujon - das ist mehr als das Doppelte der als sicher geltenden Einzeldosis.
Ein Fallbericht aus dem Jahr 2023 in der Zeitschrift für Toxikologie und Klinische Pharmakologie beschreibt einen 32-Jährigen, der Wermut mit Tabak vermischt und täglich geraucht hatte. Nach drei Wochen entwickelte er wiederkehrende Krampfanfälle, Schlafstörungen und eine starke Unruhe. Die Blutuntersuchung zeigte Thujon-Spiegel, die dreimal über dem sicheren Grenzwert lagen. Er brauchte drei Wochen, um sich vollständig zu erholen - ohne Medikamente, nur durch Absetzen des Rauchens.
Diese Reaktion ist nicht selten. Der Körper verarbeitet Thujon nicht wie Koffein oder Nikotin. Es bindet an GABA-Rezeptoren im Gehirn - dieselben, die von Beruhigungsmitteln wie Benzodiazepinen beeinflusst werden. Zu viel Thujon blockiert diese Rezeptoren und führt zu Übererregung des Nervensystems. Das ist kein „Trip“, das ist eine neurotoxische Reaktion.
Warum gibt es dann „Wermut-Zigaretten“ im Internet?
Es gibt Online-Shops, die „naturbelassene Rauchmischungen“ mit Wermut anbieten - oft mit Versprechen wie „klare Gedanken“, „spirituelle Reinigung“ oder „historische Erfahrung“. Diese Produkte sind nicht reguliert. Sie tragen keine Warnhinweise, keine Dosierungsangaben, keine Prüfzertifikate. Der Thujongehalt variiert von Packung zu Packung. Einige enthalten weniger als 1 mg Thujon pro Gramm, andere über 15 mg - ohne dass du das weißt.
Im Jahr 2024 untersuchte das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) 17 solcher Produkte aus Deutschland und Österreich. In zehn von ihnen war der Thujongehalt so hoch, dass bereits ein einziger Zug - also ein einziger Atemzug - eine gesundheitliche Gefahr darstellte. Die Produkte wurden zurückgerufen. Aber viele sind noch im Umlauf, vor allem über Darknet-Plattformen oder aus Osteuropa importiert.
Wie viel Wermut ist sicher? Die klare Antwort
Es gibt keine sichere Menge Wermut zum Rauchen. Keine. Nicht 0,1 Gramm. Nicht 0,5 Gramm. Nicht ein halbes Blatt.
Der Grund ist einfach: Dein Körper reagiert individuell auf Thujon. Manche Menschen vertragen 5 mg problemlos, andere haben nach 2 mg Krämpfe. Es gibt keine Blutuntersuchung, die dir vorher sagt, wie du reagierst. Und es gibt keine sichere Grenze, weil die Wirkung nicht linear ist - ab einer bestimmten Menge steigt das Risiko exponentiell.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) warnen ausdrücklich vor dem Rauchen von Wermut. Es ist kein traditionelles Kraut, das man wie Salbei oder Lavendel verbrennt. Es ist ein potenziell giftiges Heilmittel - und nur als solches zu behandeln.
Was ist mit Absinth? Ist der nicht auch mit Wermut gemacht?
Ja, Absinth enthält Wermut - aber in einer Form, die du nicht rauchen kannst. Der Alkohol löst die Thujonverbindungen aus den Blättern, aber bei der Destillation wird ein Großteil davon entfernt. Moderne Absinthe dürfen in der EU maximal 35 mg Thujon pro Liter enthalten. Das ist weniger als 0,0035 % Thujon - und selbst das wird bei normaler Konsumtion durch die Leber abgebaut.
Beim Rauchen hingegen landet das Thujon direkt im Blutstrom. Keine Leber, keine Verzögerung, keine Pufferung. Du bekommst die volle Dosis - und das in Sekunden.
Was kannst du stattdessen tun?
Wenn du nach natürlichen, rauchbaren Kräutern suchst, gibt es viele sicherere Alternativen:
- Salbei - beruhigend, leicht aromatisch, kein Thujon in kritischen Mengen
- Lavendel - entspannend, gut für die Atemwege
- Thymian - unterstützt die Lunge, hat antibakterielle Wirkung
- Minze - kühlend, angenehm im Rauch
- Hanfblätter (CBD-haltig, legal in der EU) - wenn du nach einer beruhigenden Wirkung suchst, ist das die einzige pflanzliche Option mit nachgewiesener Sicherheit und kontrollierter Wirkung
Alle diese Kräuter haben Studien, die ihre Sicherheit beim Rauchen belegen - und sie enthalten keine neurotoxischen Substanzen wie Thujon.
Was ist mit „historischer Nutzung“? Wurde Wermut nicht früher geraucht?
Es gibt keine glaubwürdigen historischen Aufzeichnungen, die belegen, dass Wermut systematisch geraucht wurde. Die Legende vom „rauchenden Absinth“ stammt aus der Romantik des 19. Jahrhunderts - von Künstlern, die ihre Drogenkonsum in Mythos verwandelten. In Wirklichkeit tranken Menschen Absinth, sie rauchten nicht die Pflanze. Die Vorstellung, dass Wermutrauchen Teil einer alten Tradition sei, ist eine moderne Fiktion.
Die ersten Berichte über Wermut als Rauchkraut tauchten erst in den 1990er Jahren auf - als Teil der „psychedelischen Krautbewegung“. Sie waren nie wissenschaftlich validiert. Und sie haben seitdem viele Menschen in die Notaufnahme gebracht.
Was tun, wenn du schon Wermut geraucht hast?
Wenn du nur einmal probiert hast und dich gut fühlst: Beobachte dich die nächsten 24 Stunden. Achte auf Schwindel, Herzklopfen, Übelkeit oder ungewöhnliche Gedanken. Falls du Krämpfe, Verwirrtheit oder Atembeschwerden bekommst: Geh sofort in die Notaufnahme. Sag klar: „Ich habe Wermut geraucht.“
Ärzte wissen, was Thujon ist. Es wird nicht immer sofort erkannt - aber eine Blutuntersuchung kann es nachweisen. Je schneller du Hilfe suchst, desto besser ist die Prognose.
Wenn du regelmäßig Wermut geraucht hast: Sprich mit einem Arzt oder einer Suchtberatungsstelle. Die neurologischen Auswirkungen können sich über Monate oder Jahre zeigen - sogar nach dem Absetzen.
Die Wahrheit ist einfach
Wermut ist kein Kraut zum Rauchen. Es ist ein starkes Heilmittel - und ein potenzielles Gift. Die Idee, dass man „ein bisschen“ rauchen kann, ohne Risiko, ist gefährlich. Es gibt keine sichere Dosis. Keine. Nicht für dich. Nicht für jemanden anderen.
Wenn du nach natürlichen Erfahrungen suchst, wähle Kräuter, die sicher sind. Nicht solche, die dir das Gehirn kaputt machen - nur weil sie „alt“ oder „exotisch“ klingen.
Wermut hat seine Stelle in der Naturheilkunde - als Tee zur Verdauung, als Tinktur bei Migräne, als äußerlich angewendete Salbe. Aber nicht im Rauch. Nicht in deinen Lungen. Nicht in deinem Kopf.
Ist es legal, Wermut zu rauchen?
Ja, Wermut selbst ist in Deutschland und der EU legal zu besitzen und zu verkaufen - aber nur als Pflanze oder als Bestandteil von Tee oder Tinkturen. Der Verkauf von Wermut als Rauchmischung ist in vielen Bundesländern nicht explizit verboten, aber er fällt unter die Regelungen für „nicht essbare Pflanzenprodukte“ und wird von den Gesundheitsbehörden als gesundheitlich bedenklich eingestuft. Der Vertrieb mit Gesundheitsversprechen ist illegal.
Kann man Wermut mit Tabak mischen, um das Risiko zu senken?
Nein. Mischen mit Tabak verändert nichts an der Thujonmenge. Es verdeckt nur den Geschmack und macht das Risiko noch gefährlicher, weil du mehr rauchst, als du denkst. Tabak macht dich abhängig - Wermut kann dich krank machen. Beides zusammen ist eine doppelte Belastung für Körper und Nervensystem.
Gibt es einen sicheren Wermut-Ersatz zum Rauchen?
Ja. CBD-haltige Hanfblätter (mit weniger als 0,2 % THC) sind in der EU legal und gut erforscht. Sie wirken beruhigend, ohne neurotoxische Wirkung. Auch Salbei, Lavendel oder Thymian sind sichere, geschmackvolle Alternativen. Sie liefern keine Halluzinationen - aber sie liefern Ruhe, ohne dein Nervensystem zu überlasten.
Wie erkenne ich, ob ein Produkt zu viel Thujon enthält?
Du kannst es nicht erkennen - außer durch Laboranalyse. Produkte, die „Thujongehalt: 1-5 mg/g“ angeben, sind oft unzuverlässig. Keine Zertifizierung, keine Prüfnummer, kein Hersteller - das ist ein Warnsignal. Vertraue nur Produkten mit offizieller Analyse, die du direkt vom Hersteller anfordern kannst. Sonst: lieber ganz lassen.
Kann Wermutrauchen süchtig machen?
Wermut selbst ist nicht suchterzeugend wie Nikotin oder Alkohol. Aber es kann psychologisch abhängig machen - besonders wenn du es mit spirituellen oder rebellischen Gefühlen verbindest. Viele Menschen, die damit aufgehört haben, berichten, dass sie das Gefühl vermisst haben, „etwas Besonderes“ zu tun. Das ist keine körperliche Sucht - aber sie ist schwer zu brechen, weil sie mit Identität und Selbstwahrnehmung verbunden ist.